Theoretische Grundlagen und Prinzipien

Großmeister Jun Kang

Jeongjwa

Gegenüber denjenigen, die danach fragen, was für eine Kamfkunst Gongkwon Yusul sei, möchte ich nicht unbegründet die Meinung äußern: "Sie müssen erst einmal Gongkwon Yusul ausprobieren, wenn Sie genau wissen wollen, was das ist!"
Wir wissen, dass keine Hasen auf dem Mond leben, auch wenn wir nicht einmal dort waren. So könnte man auch meinen, es wäre nicht notwendig Gongkwon Yusul zu trainieren, nur um zu wissen, auf welchen Prinzipien diese Kampfkunst aufgebaut ist."

Ich halte es für wichtig, richtige Informationen über die Prinzipien und das Techniksystem von Gongkwon Yusul zu geben, zumal es Leute gibt, die Gongkwon Yusul nur als fremdartige Kampfmethode betrachten. Oder sie haben durch ein paar Videos den falschen Eindruck, dass Gongkwon Yusul eine Art Imitation von anderen Kampfkünsten wie Brazilian Jiu Jitsu, Kyokushin Karate oder MMA (Mixed Martial Arts) sei.

Es ist immer wieder zu beobachten, dass hohe Dan-Träger in Korea und Meister der Kampfkünste aus verschiedenen Ländern gerne loben, Gongkwon Yusul enthalte das beste Programm. Der Grund dafür ist möglicherweise, dass sie in Gongkwon Yusul die beispiellose, noch nicht gesehene Diversität der Techniken und den Erkenntnisprozess der Pinzipien durch Schüler selbst gesehen haben. Durch solche Grundlagen zweifeln die anderen Kampfkünstler, die Gongkwon Yusul schon mal erlebt haben, nicht daran, dass Gongkwon Yusul eines Tages eine repräsentative Kampfkunst Koreas werden wird.

Wenn ein Anfänger beginnt, Gongkwon Yusul zu trainieren, würde er selbst den Umriss der Struktur und des Lernprogramms nicht wahrnehmen können. Es ist, als würde er in völliger Dunkelheit spazieren. Aber wenn er etwa 6 Monate trainiert hätte, würde er erstaunlicherweise die Technik und Philosophie von Gongkwon Yusul selbst erwerben. Dies ist vergleichbar, als ob er plötzlich die Dinge erkennen und unterscheiden kann, da er in der Dunkelheit ein Streichholz entzündet hat. Dieses Moment ist, als bekäme man eine Gänsehaut. Es ist unbeschreiblich.
Ich habe Gongkwon Yusul mit dem Wunsch konzipiert, dass künftige Schüler diese Freude und Begeisterung, die ich selbst durch Gongkwon Yusul-Training erlebt habe, ebenfalls miterleben können. Ich bin stolz darauf, dass solch eine Kampfkunst, die auf einer soliden grundlegenden Theorie basiert, in Korea entstanden ist.

In Gongkwon Yusul gibt es 4 einzigartige Prinzipien, die in den anderen Kampfkünsten nicht zu finden sind. Die einen formulierten, dass diese Prinzipien ein Meilenstein in der Kampfkunstwelt seien, die anderen bezeichneten sie als "brillant genial". Man kann das aber als Widerspiegelung der Tatsache verstehen, dass die Kampfkünste den veränderten Anforderungen der Gesellschaft und des Zeitalters gerecht werden und sich weiter entwickeln.

1. Prinzip des Matdaegi

Matdaegi besteht aus 4 verschiedenen Techniken:

  1. Matdaegi Sugi – Eumsu, Yangsu (12 Bewegungen 8 Bon) – [Handrückenkontaktübung für Hand-/Armtechniken – Verteidigertechinken, Angreifertechniken (12 Bewegungen 8 Zusammenstellungen)]
  2. Matdaegi Joksul (10 Bon) [Handrückenkontaktübung für Fuß-/Beintechniken (10 Zusammenstellungen)]
  3. Matdaegi Mechigi (10 Bon) [Handrückenkontaktübung für Wurftechniken (10 Zusammestellungen)]
  4. Matdaegi Gwanjeolgi (7 Bon) [Handrückenkontaktübung für Gelenkhebeltechniken (7 Zusammenstellungen)]

Matdaegi ist ein rein koreanisches Wort. Es stammt von dem Ausdruck, dass zwei Menschen ihre Handrücken gegenseitig aneinander legen. Wenn man die Matdaegi-Stellung einnimmt, wird die Distanz zwischen den beiden Personen in bestimmter Weise fest. Die Übungen der Angriffs- und Abwehrhandlungen aus dieser Distanz und Haltung heraus sind sehr hilfreich, um die Prinzipien und Funktionsweise der dynamisch-richtigen Distanz zu erkennen. Die Fußtechniken sind beispielsweise die Techniken, bei denen die größte Distanz benötigt wird. Wenn die Distanz zu klein ist, wird der Einsatz einer Tritttechnik sehr schwierig sein. Im Gegenteil sind Fausttechniken oder Wurftechniken aus naher Distanz möglich. Wenn jemand den Gegner aus der Distanz der Fußtechnik greifen will, wird es ihm nicht gelingen. Wenn man aber aus der Matdaegi-Distanz Tritt-, Wurf- und Handtechniken geübt hat, kann man eine Tritttechnik auf so engem Raum erfolgreich einsetzen und sich bald das Prinzip der richtigen Nutzung eines Raumes aneignen. Andererseits ist diese Matdaegi-Distanz etwas zu weit für einen Griffkampf und Faustschlag. Aber wenn man diese Matdaegi-Übung lange genug gemacht hat, kann man die Methode erlernen, wie man die weite Distanz überwindet. Diese Erkenntnisse werden beim Training von niemandem beigebracht, sondern die Schüler kommen durch das Training von selbst darauf. Die in Kampfkünsten üblichen und bisher bekannten Wurf- sowie Hebeltechniken sind nur dann einsetzbar, wenn der Gegner das Kleidungstück oder mich anfassen würde. Die Wurf- und Hebeltechniken in Matdaegi sind insbesondere aus der Distanz der beiden Armlängen durch den Handrückenkontakt ausführbar, so dass der Prozess des Technikeinsatzes völlig anders als bekannt verlaufen muss.

2. Prinzip der Kreativität

Während des Trainings von Matdaegi lernt man parallel Samwonbon (Partnerübung auf der Basis der Theorie der drei Urquellen: Beop, Sul, Gi: vgl. Kap. 4). Das wird grundsätzlich dafür trainiert, die Kombinationen der Techniken stufenweise zu schulen. Wenn ein Schüler das Matdaegi-Programm einigermaßen beherrscht, kann er eine Reihe der Technikkombinationen kreativ zusammenstellen und sie im Freikampf anwenden. Ich nenne ein Beispiel:

Wenn man (1) Matdaegi Sugi Nr. 2, (2) Matdaegi Joksul Nr. 4, (3) Matdaegi Mechigi Nr. 9 und (4) Matdaegi Gwanjeolgi Nr. 6 nacheinander kombinieren würde, werden die Techniken von (1) der Handtechnik über (2) die Tritttechnik, (3) die Distanzüberwindung, (4) die Wurftechnik und bis zur Bodenkampftechnik als eine Kettentechnik aufgebaut, so dass eine einzigartige Reihe der Technikzusammenstellung (=Bon) entsteht.

Niemals wird das selbe Bon entstehen.

Das ist wie die Kombination einer Geheimziffer aus 4 Zahlen für ein Schloss, die nur der Besitzer des Schlüssels kennt. Sie können ein Bon kreativ produzieren, das nur Ihnen passen würde, je nachdem wie groß oder klein, dick oder schlank Sie sind.

Diese Kreativität unterstützende Trainingsmethode wird bereits auch in der Anfängerphase verwendet. Durch solche Erfahrungen wird später der Anwärter des Schwarzgurtgrades sein eigenes kreatives Bon zusammenstellen, es selbst benennen und bekanntmachen. Jeder Gongkwon Yusul-Schüler, der an diesem neuen Bon Interesse zeigt, kann das erlernen und verwenden. In solchen Fällen geben wir die Quelle des Bons bekannt und verehren seinen Erfinder.

3. Prinzip der Harmonie zwischen Eum und Yang

Matdaegi Sugi besteht aus verschiedenen Handtechniken in Angriffs- und Abwehraktionen: d. h. 8 Eumsu (8 Abwehrtechniken mit der Hand) und Yangsu (8 Angriffstechniken mit der Hand). Mit anderen Worten sind sie eine Reihe von Grundtechniken. Die Anfänger, die diese Techniken zum ersten Mal und einzeln erlernen, wissen noch nicht, wie sie solche Techniken konkret anwenden sollen. Einer trainiert Yangsu (Angriffstechniken), ein anderer aber Eumsu (Abwehrtechniken). Wenn sie beide zusammenkommen und zusammen üben, wird klar, dass die Techniken miteinander harmonisch vorgeführt werden. Man weiß noch nicht, was die einzelnen Bewegungen bedeuten sollen, solange man alleine übt. Man weiß es aber, wenn man zusammen übt. Wie die Zahnräder einer Uhr sich miteinander verzahnt drehen, werden die Angriffs- und Abwehraktionen harmonisch verzahnt durchgeführt.

Dieses Prinzip ist ebenfalls in Hyeongs (Formen) von Gongkwon Yusul wiederzufinden. Nachdem zwei Personen Yongjin-Hyeong und Mujin-Hyeong einzeln gelernt haben, werden sie zusammen üben. Es wird dann deutlich, wie man das Prinzip des Angriffs und der Abwehr verstehen soll. Das ist ein System, durch das man selbst zur Erkenntnis der Gongkwon Yusul-Prinzipien kommt: ein Selbst-Lern-Prinzip. Für diesen Zweck sind die Hyeongs so konzipiert, dass man von Anfang an mit Berücksichtigung der Blickrichtung, Gewichtsverlagerung, Schrittlänge, Bewegungsrichtung, des Tempos, der Stärke der Kraft, des Atems, der fein gestimmten Bewegungen und der Kettenaktionen der Schlagtechniken zum Ausgangspunkt zurückkommt und keine minimalen Fehler erlaubt.

4. Prinzip des Samwonbon

Samwonbon sind wie folgt:

  1. Simmubon 1.–10. Bon (Suche nach dem Mudo, nach der Kampfkunst)
  2. Gyeonbeopbon 1.–9. Bon (Finden des Beop, der Prinzipien)
  3. Ipgibon 1.–6. Bon (Erreichen des Gi, der Techniken)
  4. Jwasulbon 1.–5. Bon (Aufrecht sitzen im Sul, in der Methode)
  5. Waryakbon 1.–5. Bon (Feststellung der Strategien)
  6. Seongdobon 1.–5. Bon (Verwirklichung des Do, des Wegs der Kampfkunst)
  7. Jonyongbon 1.–5. Bon (Respekt vor der Anwendungen)
  8. Bansubon 1.–7. Bon (Rückkehr des Su, der Methoden)
  9. Bangbeopbon 1.–7. Bon (Loslassen des Beop, der Prinzipien)
  10. Mangdobon 1.–10. Bon (Vergessen des Do, des Weges als die höchste Stufe der Kampfkunst)

Wenn die Laien dieses Samwonbon sehen würden, würden sie im ersten Augenblick den Eindruck haben, dass dies das Wesentliche von Gongkwon Yusul ist. Das ist die essenzielle Zusammenstellung der Gongkwon Yusul-Techniken, bestehend aus 77 Bon, also dort kommen 77 verschiedene Wurftechniken und Kontrolltechniken vor. Dieses Samwonbon stellt eine simulierte Kampfübung mit zwei oder drei Personen dar. Das Lernprogramm Samwonbon verbindet ganze Technikreihe von (1) Schlag-/Tritttechniken über (2) Distanzüberwindungsmanöver, (3) Wurftechniken bis zu (4) Bodenkampftechniken miteinander in ein einheitliches Curriculum, durch dessen Übung die Schüler dazu befähigt werden, mit den kettenartig aufeinander folgenden 5 bis 12 Techniken den Gegner zur Aufgabe des Kampfes zu zwingen.

Samwonbon in Gongkwon Yusul entspringt auf der theoretischen Ebene den drei großen Urquellen: Beop (Prinzipien), Sul (Methoden), Gi (Techniken). Samwon bedeutet also drei Urquellen. Man lernt Samwonbon nicht im Kopf auswendig, sondern eignet sich diese drei Urquellen durch das kreative Training mit Rücksicht auf den Zustand des Körpers, den Charakter und den Geschicklichkeitsgrad des Lernenden an. Diese Merkmale wie Kreativität, Freiheit und Sinnzusammenhang der Techniken sind die repräsentative Charakteristik von Gongkwon Yusul.

Wie bisher beschrieben hat Gongkwon Yusul die 4 großen Prinzipien als Bestandteil, denen die Vielfalt aller weiteren Techniken zu verdanken ist: Sugi Bon (Bon der Handtechniken), Daeryeon Bon (Bon der Kampfübung), Sugi Joksul Bon (Bon der Schlag-/Stoß-/Tritttechniken), Daeryeon (Freikampftechniken) und Wasulgi (Bodenkampftechniken).

Alle Programme von Gongkwon Yusul sind für die Menschen konzipiert, die zum ersten Mal mit einer Kampfkunst in Berührung kommen. Gongkwon Yusul hat den Charakter einer gemischten Kampfkunst, ist aber ein System, das auf einer neuen Theorie von Kampfkunst basiert. Gongkwon Yusul trägt als Breitensport zur Gesellschaft bei, verliert aber nicht den Sinn des Ursprungs der Kampfkunst als Taktik für einen realen Kampf. Dies ist der Grund, warum so viele Menschen, insbesondere Erwachsene, beim Gongkwon Yusul-Training Interesse und Spaß haben und von dieser Kampfkunst begeistert sind.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, unsere Kampfkunst mit ein wenig Interesse betrachten würden, könnten Sie sicher bald feststellen, dass Gongkwon Yusul – anders als Brazilian Jiu Jitsu, Hapkido, Kickboxing, Karate, Boxing und MMA – ein eigenständiges System und ein stufenweise klar differenziertes Trainingsprogramm vom 1. Dan bis zum 7. Dan (Schwarzgurtgrad) beinhaltet.

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